Bitte nicht freundlich

Los! Lesen Sie jetzt diesen Text! Oha … wie sagt man? »Bitte« sagt man! Und dann? »Danke«. Genau! Das lernt man – hoffentlich! – schon als Kind. Man sagt Bitte und Danke. Höflichkeit ist ein wichtiger Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Wer freundlich ist, zeigt, dass er (oder sie) Respekt vor dem Menschen hat, mit dem er (oder sie) spricht. Lässt man die Höflichkeit in der Kommunikation weg, dann wird es schnell rau. Und noch schneller fühle ich mich dann nicht mehr wohl, wenn ein Satz wie ein Befehl klingt. Natürlich gibt es Orte und Situationen, in denen übertriebene Freundlichkeit keinen Platz hat. In Restaurant-Küchen zur Primetime, im OP oder im Flugzeug-Cockpit zum Beispiel. Ich persönlich bin im normalen Leben aber lieber einmal zu viel freundlich als einmal zu wenig. Typischerweise sage ich sogar »Entschuldigung«, wenn mich jemand (aus Versehen) leicht anrempelt. Ich grüße auch, wenn mir jemand in einer ansonsten leeren Straße entgegenkommt. Übertrieben? Kann sein. So bin ich halt.
Vielleicht muss ich mich jetzt eh umstellen. Denn Freundlichkeit schadet der Umwelt. Daher: Kein »Bitte« mehr! Und auch kein »Danke«! Wegen dem CO2 und dem Grundwasser. Das forderte im April jedenfalls Sam Altman, Chef von openAI, der Firma, die die Künstliche Intelligenz chatGPT betreibt. Wer der KI Fragen oder Aufgaben stellt, soll auf Höflichkeitsfloskeln verzichten. Jedes »Danke« muss von der KI analysiert werden, nur um dann zu merken, dass es keine neue Frage ist. Nach Altmanns Angaben kosten die freundlichen Danksagungen der Nutzer auf KI-Antworten unglaubliche Mengen an Rechenkraft in den Rechenzentren mit Wasserkühlung, Stromverbrauch, CO2 … weshalb jedes eingesparte »Danke« die Umwelt schont. OK, nicht nur die Umwelt, sondern auch ein bisschen den Geldbeutel von openAI. Von zweistelligen Millionenbeträgen pro Jahr war die Rede, die die nett gemeinten Antworten der freundlichen User die Firma kosten.
Wenn wir bei der KI bewusst auf Freundlichkeit und höfliche Floskeln verzichten, sich KI aber in allen Lebensbereichen (von Suchmaschinen bis Waschmaschinen) ausbreitet, allgegenwärtig wird, dann »verlernen« wir doch im täglichen Leben nett zu sein, oder? Wir gewöhnen uns an ruppige Sprache und werden anfangen, auch miteinander im Befehlston zu reden, wetten?  So richtig wohl fühle ich mich daher nicht dabei.
Ich bin mit dieser Meinung auch nicht allein. Liest man Kommentare im Netz, dann will die überwiegende Zahl der Nutzer weiterhin freundlich zu chatGPT sein. Einige befürchten gar, dass sie sonst nach der Übernahme der Macht durch KI-betriebene Roboterarmeen in Arbeitslagern landen und wie früher die Kohlekumpel im Ruhrgebiet in Untertage-Stollen seltene Erden per Hand abbauen müssen. Mit der Hoffnung auf Milde statt Mine haben sie für sich beschlossen, den Intel-Inside-Intelligenzen gegenüber höflich zu sein und lieber einmal zu viel Bitte und Danke zu sagen, als einmal zu wenig. Man weiß ja nie. So ein »Danke« schadet ja auch nicht. Vom Klima mal abgesehen.

In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, noch einen Artikel von mir aus dem Jahr 2018 ans Herz legen. Schön, dass Sie hier mitlesen!

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